über Ingo's Malerei
Auszug aus der Vernissagenrede von Frau Mag. Birgit Feierl – Andelsbuch, Juni 2007
Stehen Sie vor den Arbeiten von Ingo Meraner, so sehen Sie meist groß-formatige, (manchmal mehrteilige) abstrakte Acrylbilder – manche bunt und grell, voller Energie,- manche zart und zerbrechlich, pastellfarben, jedes aber – treten Sie dem Bild ruhig nahe und Sehen Sie genauer hin! – jedes aber mit unzähligen skripturalen Linien und Zeichen versehen: des Künstlers unverkennbare Handschrift. (Ein heißer Tipp also für alle, die gerne am Kunstmarkt mitreden möchten: Daran – an diesen Skripturen nämlich – erkennen Sie einen ‚echten Meraner‘!)
Am Anfang steht ein Moment der Stille, ein Einlassen auf das, was dahinter oder darüber liegt, eine Suche, vielleicht eine religiöse Suche, jenseits der Gedanken, beinahe Meditation.
Dann aber beginnt Ingo Meraner zu arbeiten, er folgt seinen Empfindungen ohne rationale Zensur, er überlässt sich der Motorik der Arme und Hände. Die Hände setzen das eigene momentane Empfinden um, die Intuition wird in den Fluss der Farben gegossen, der auf der Oberfläche der Leinwand aufprallt und sich dort in deren Strukturen verteilt und festsaugt.
Ingo Meraner kniet während des Arbeitsprozesses vor seinen Bildern: vielleicht eine Demut vor dem, was da aufkeimt, vor dem, was da aus dem Kopf beim Herz vorbei in die Arme fließt und die Hände umsetzen lässt mit körperlicher Kraft. Schicht für Schicht trägt der Künstler auf, unterbricht die Arbeit, mischt neue Farbverhältnisse zusammen, mengt der Farbe Pigmente bei, klatscht patzige Strukturen aufs Bild, trägt aufs Neue Farben und Farbschichten auf.
Mit Wasser hellt er auf, mit dem Schwamm wischt er darüber, wischt hinweg, korrigiert, ritzt und kratzt Narben auf, legt darunter liegende Schichten frei, malt und zeichnet in die entstandenen Ritzen, füllt Farbe nach und gießt sie in die nun offenen, klaffenden Adern.
Nur selten verwendet er Pinsel für seine Arbeit: mit Spachteln, Buntstiften oder Kohle wird auf den Malgrund hineingekratzt, hineingestemmt, aufgeritzt, hingezeichnet, in Phasen – denen eines Kraftausbruchs gleich: Die Konturen beginnen zu pulsieren, feine Furchen beseelen den Grund.
Die eigene Körperkraft, die Energie, die der Künstler beim Malen in die Bilder geradezu hineinmassiert, setzt sich fest in den Poren der Leinwand. Das Feuer, die Hitze, die während der Arbeit entsteht, bringt die Farben zum Glühen und illuminiert die Linien und Flecken vor dem Kontrast des Hintergrundes, illuminiert die zerrissenen Formen, die schraffiert wirkenden flächigen Muster, die stacheldrahtähnlichen Gebilde, die gekreuzten Linien, die tanzenden Sterne, die farbigen Nebelschwaden und immer wieder die kräftigen Farben. Manche der gekreuzten, aufrechten Linien wirken wie Figuren, hagere Figuren, die mit gespreiztem Schritt hölzern durch das Bild schreiten.
Einige geometrische Formen dienen als ‚leichte Anhaltspunkte‘ – gleich aber wird die Ordnung wieder verlassen, der Maler braucht die flächigen quadratischen oder runden Inseln nur, um sich daran abzuarbeiten, entlang den skripturalen Wegen, die er einschlägt, geht er im Zickzack so lange weiter, bis ihm die nächste geometrische Form zufällt.
„Manchmal würde ich mir wirklich wünschen, ich sähe vor meinem geistigen Auge ein Bild, welches ich dann nur ‚abzumalen‘ bräuchte“, sagt Ingo Meraner. Aber leider dauere dieses Herumklimpern (wie man etwa Fingerübungen auf dem Klavier mache oder gedankenverloren die Saiten einer Gitarre zupft ) bisweilen unendlich lange. Und selbst, wenn er in oft tagelanger Arbeit einen spannend strukturierten Untergrund geschaffen habe, fehle dann immer noch das eigentliche Bild, eine Melodie, wenn Sie so wollen.
Doch irgendwann – aus der Improvisation heraus – entsteht diese plötzlich. Der Künstler haftet sich an einen Ausschnitt des ursprünglich vielleicht doppelt oder gar vierfach so großen Bildes, und treibt diesen hin zum Ende.
Ja, wo ist das Ende des Prozesses?
Wann ist das Bild fertig?
Wann erschöpft sich diese Improvisationskraft?
Wann erlischt die Unruhe?
Die Skripturen erinnern mitunter an seismographische Aufzeichnungen, an das Zickzack von Herzfrequenzen, und schließlich: an das Langsamwerden und Ausschwingens eines Pendels, das endlich still hält und in sich ruht. Die Signatur des Künstlers besiegelt und verabschiedet die Auseinandersetzung.
Ingo Meraner gibt seinen Bildern Namen, sie sind etwa inspiriert von einer Musik, die er gerade hört (‚renaulds breath‘, ‚Jimy H.‘).
Es sind Widmungen an Menschen, die ihm etwas bedeuten (wie ‚dr. king‘) oder er nimmt Bezug auf die Literatur, auf Filme oder auf etwas oder jemanden, mit dem er sich beschäftigt.
Beispielhaft sei hier das Bild ‚Hawking‘ angeführt, es bezieht sich auf den Physiker Stephan Hawking, der uns – an den Rollstuhl gefesselt und mit den Pupillen den Computer steuernd, das Universum und seine Entstehung erklärt. In seinem Buch ‚Das Universum in der Nußschale‘ findet sich eine Karikatur, in welchem er (Hawking selbst) samt seinem Rollstuhl von der als Scheibe gezeichneten Erde sozusagen über den Rand hinunterkippt. Das hat den Künstler inspiriert.
Nur selten leiten sich die Bildtitel vom optischen Eindruck des Bildes ab. Wichtig ist dabei nur, dass ein Bezu zum Leben des Künstlers hergestellt wird, auch wenn dieser mitunter für die Betrachter nicht nachvollziehbar sein mag. (Man könnte – da der Künstler anwesend ist -, diesen allerdings per Nachfrage eruieren!)
Kurz sei noch auf die häufig gestellte Frage eingegangen, ob der Künstler hier Autobiographisches darstelle? Ob sich Spuren seiner Lebensgeschichte in den Bildern spiegeln würden?
Nun, jene unter Ihnen, die heute hier sind, und die Biographie des Künstlers kennen oder erahnen, erahnen mitunter feine – nicht bewusst thematisierte oder als solche explizit gemachte, aber doch – Anspielungen auf Erlebtes, Spuren, Hinweise – so eben, wie jedes und vermutlich alles, was man von sich hergibt und zur Ansicht den anderen frei-gibt, ein Teil seiner Selbst ist, und sei es auch nur ein winzigkleiner. Durchgemachtes, Erlittenes.
Furchig zerrissene, vernarbte Gebilde finden sich in Ingo Meraners Bildern ebenso wie das helle Leuchten nach dem schwarzen Wirrwarr.
Zugefügtes, Aufgerissenes, Hineingeschnittes – und wieder Zusammengenähtes.
Drübergekleistert und Zugepflastert, abgeheilt und verborgen unter der Zeit.